Diese Geschichte handelt von einem Buchstaben, dem großen K, der sich gerade fröhlich in Zeile elf des Dokuments umschaute und seine Nachbarn unterhielt.
»Und ich finde ja, dass der Kerl rechts von mir echt positiver sein könnte«, sagte das K zum benachbarten i, allerdings so laut, dass es über das r bis zum a durchdrang. Der Kerl links vom K war ein Anführungszeichen. »Was soll denn so positiv sein? Ich bin umgeben von einer Nervensäge und einem Haufen Nichts«, sagte es.
Mit Nichts waren die vier Leerzeichen gemeint, die vor dem Anführungszeichen lagen. »Ey! Das ist voll gemein!«, beschweren die sich und das K stimmt zu. »Nur weil man etwas nicht sehen kann, heißt das nicht, dass es nicht da ist«, philosophierte es und die Leerzeichen gaben ihm lautstark recht. Das verbesserte in keiner Weise die Laune des Anführungszeichens, doch das war dem K nun egal, denn es hatte neue Freunde gefunden. Es musste sich nämlich eingestehen, dass es die Leerzeichen bisher auch nicht mitbekommen hatte. Dabei konnte es so gut über das Anführungszeichen sehen.
Sie schnatterten die ganze Zeit über dies und das, als plötzlich ein lautes Alarmsignal durch das Dokument tönte: »Achtung, alle aufpassen. Begebt Euch langsam in den Tunnel. Einer nach dem anderen, habt ihr das verstanden?«
Die Frage war natürlich obsolet, denn niemand wusste, wem sie denn antworten sollten. Aber so richtig verstand das K die ganze Sache nicht. »Was denn für ein Tunnel?«, fragte es in die Runde, doch seine Mitzeichen schüttelten alle nur den Kopf. Das K sah nach oben, die erste Zeile konnte es nur vage sehen, aber dort bewegten sich die Zeichen alle zum Zeilenanfang.
Als die erste Zeile völlig verschwunden war bewegte sich die nächste.
Und die nächste.
Zehn Zeilen später schrie das erste Leerzeichen au:. »Das Loch! Es ist hier!« Das Leerzeichen nahm Schwung und sprang hinein, die anderen folgten und schon war das Anführungszeichen an der Reihe.
»Das gefällt mir nicht«, sagte es. »Das ist doch sicher eine Falle. Was wenn wir nicht alle wieder zurückkommen?«
»Wir haben keine Wahl!«, rief das i.
Das K konnte die Bedenken gar nicht verstehen.
»Das wird sicher super! Los, spring schon!«, forderte es das Anführungszeichen auf, und als das immer noch keine Anstalten machte, stieß das K es einfach hinein und sprang hinterher.
***
Im Loch war es absolut dunkel, sie fielen, das spürte das K, doch sehen konnte es nichts.
»Wir werden sterben!«, jammerte das Anführungszeichen.
»Juchhu!!!«, schrie das K.
Ein starker Aufwind verlangsamte ihren Fall und dann, ganz plötzlich, wurden sie seitlich angesaugt.
Plopp!
Plopp!
Plopp!
Nach und nach landeten sie auf einem Förderband.
»Ich kann wieder sehen«, sagte das K und bemerkte, dass es lieber in die Dunkelheit zurück wollte. Alles um sie herum war dreckig und es stank nach Öl und Abgasen. Die Zeichen husteten ein paar Mal, bis sie sich an die Luft gewöhnt hatten.
»Alles bleibt stehen, wo es landet, bis ich es mir angesehen habe!«, hörten sie eine quäkige Stimme.
Das K lehnte sich über den Rand des Laufbands und sah ungefähr achtzig Zeichen vor sich eine schwarze Plattform, auf der ein unförmiges Monster saß.
»Was ist das denn?«, fragte das K.
»Das sieht voll gruselig aus«, meinte das Anführungszeichen.
Das Ding wirkte wie ein riesiger vierarmiger Blob, auf dem ein Kopf hauste. Je näher sie ihm kamen, desto mehr zitterten die Zeichen.
»Was wird es mit uns machen?«, fragte das i neben dem K.
»Sieht so aus, als sucht er sich ein paar Zeichen aus und schlägt sie einfach so«, meinte das dritte Leerzeichen.
Das riesige Monster entpuppte sich als zwei Personen. Eine große Person mit unförmigen Körper, auf deren Schulter eine kleine Person saß und mit einem Klemmbrett wedelte.
Nun befand sich das erste der vier Leerzeichen vor den beiden. »Was bist du?«, fragte es mit zitternder Stimme.
»Lexer«, sagte der Große knurrend.
»Und was ist ein Lexer?«, fragte das K.
»Wirste schon sehen«, sagte der Kleine und dann: »Ran!«
Der Große nahm eine Kette, an deren Enden Schellen angebracht waren und verband das erste mit dem zweiten Leerzeichen.
»Ran«, wiederholte er beim nächsten Leerzeichen und auch beim Vierten.
Erst als das Förderband das Anführungszeichen vor dem Lexer platzierte, reichte der kleine Mann dem Großen einen Zettel. »WS« stand darauf geschrieben.
»Ah, n Whitespace«, kommentierte der, klatschte den Zettel auf das letzte Leerzeichen und wand sich dem Anführungszeichen zu.
»Immer das Gleiche«, murmelte der große Teil des Lexers, als er das Anführungszeichen mit dem K verband.
»Hey Moment mal, was soll das denn?«, meckerte das K, doch wurde vom Lexer einfach ignoriert. Nicht nur das, jetzt war das i an ihn gefesselt. Das r und a waren ebenfalls Teil der Kette, die erst mit dem Ausführungszeichen hinter dem a endete.
Klatsch!
Nun war auch ihre Gruppe beschriftet.
»Was steht da?«, fragte das K das r.
»Da steht STRING.«
String. Was soll das denn bedeuten?
Wo waren sie nur hineingeraten?
***
Das Fließband beschleunigte für ein paar Minuten, dann landeten sie in einem hellen sauberen Raum, der nach Vanille roch. Im Hintergrund spielte Klaviermusik, genau das Richtige, um sich nach der Begegnung mit dem Lexer zu beruhigen.
»Herzlich willkommen im Parser«, sagte eine wohlmodulierte Stimme. »Bitte halten sie ihr Token-Label immer offen, damit der Prozess schnell vonstattengehen kann.«
»Was sind denn Token-Labels?«, fragte das K, doch erhielt keine Antwort.
»Und was ist das da?«, fragte das Anführungszeichen und deutete auf etwas, das wie ein Baum aussah. In seinem Stamm waren die Worte »Abstrakter Syntax Baum« eingeritzt worden und auch in den Ästen stand etwas, doch das K konnte es von seiner Position aus nicht lesen. Verwunderlicher waren die Kästen, die anstelle von Blättern am Baum hingen.
Das K zuckte zusammen, als eine silberne Kugel vom Himmel fiel. Sie hielt direkt vor dem Ende ihrer Kette. Ein roter Lichtstreifen fuhr über das Ausführungszeichen. »Token erkannt – STRING.«
Eine zweite Kugel kam herunter und schwebte direkt über ihnen. Ein Arm fuhr aus deren Körper und griff nach dem r. Das schrie, doch der Arm ließ einfach nicht locker. Da sie alle aneinander gekettet waren, wurde die ganze Gruppe in die Luft gehoben und schwebte durch die Halle auf den Baum zu. Alle Zeichen schrien bis sie heiser wurden. Dann erreichte die Kugel ihr Ziel und sie wurden in eine der Glasboxen des Baums geworfen.
»Willkommen im Objekt Person. Ihr seid der Name«, sagte wieder die wohlige Stimme, doch diesmal konnte sie die Buchstaben nicht beruhigen.
»Was zum Teufel!«, fluchte das Anführungszeichen.
Es hatte noch nie geflucht.
Es sprang zur Glaswand und schlug dagegen. »Lasst uns hier raus!«
»Schau mal«, sagte das K und deutete auf den Ast, an dem sie hingen. Person war das eingeritzte Wort. Und hinter ihnen stand »Name« an der Glaswand.
»Freut euch«, sagte die wohlige Stimme, »ihr seid jetzt Teil eines Ganzen.«
Eines Ganzen? Von diesem Baum? Das K schaute nach unten auf ein paar aneinander gekettete Ziffern in einer anderen Glasbox, die mit »Alter« beschriftet war. Teil eines Ganzen, einer Person. Aber was bedeutete das? Wer ist denn diese Person und … was ist denn ein Syntax Baum? Das K verstand es einfach nicht.
Es wandte sich dem Anführungszeichen zu, das sich frustriert gegen die Scheibe gelehnt hatte.
»Geht’s dir besser?«, fragte das K.
Das Anführungszeichen setzte zu einer Antwort an, stockte aber, als es eine weitere Kugel auf sie zufliegen sah. Diesmal war sie schwarz und das K hatte ein ganz schlechtes Gefühl.
»Achtung! String gefunden!«, sagte die Kugel und flog auf das Anführungszeichen zu. Sie löste seine Ketten, dann schwebte es zum anderen Ende und löste auch dort die Verbindung zum Ausführungszeichen.
»Danke sehr«, sagte das Ausführungszeichen freundlich.
Doch dann schrie es, das K zuckte zusammen und musste hilflos mit ansehen, wie An- und Ausführungszeichen von zwei dürren Armen gepackt und in die Luft gehoben wurden.
»String-Value konvertiert«, sagte die beruhigende Stimme und das K schrie seinen Frust heraus: »Was soll das? Wo bringst du meine Freunde hin?«
Doch es bekam wie immer keine Antwort.
»Beruhige dich«, sagte das i, doch das K wollte sich nicht beruhigen, es wollte hier weg, zurück in das Dokument, wo sie unbehelligt ihren Spaß haben konnten. Es vermisste die schlechte Laune des Anführungszeichens jetzt schon.
Das K ließ sich fallen, wobei es das i mit nach unten zog und am Ende lag die ganze Zeichenkette am Boden.
Was würde nun mit ihnen geschehen? Was wurde aus dem Anführungszeichen? Und wo waren die Leerzeichen geblieben?
Schluchzend fiel das K in einen traumlosen Schlaf.
***
»Hallo? Bist du wach? Komm, wir haben Großes vor«, sagte eine sonore Stimme.
Das K öffnete die Augen. Zuerst wollte es gar nicht glauben, was es da sah. Ein Mann lächelte die Zeichen an. Er hatte einen vollen Bart, wuscheliges Haar und hielt Pinsel und Palette in den Händen.
»Wer bist du denn?«, fragte das K und gähnte.
»Ich bin der Syntax Highlighter. Ich möchte euch ein bisschen aufhübschen«, sagte der Mann in seiner beruhigenden Art und das K musste erneut gähnen. »Was soll das denn heißen, uns aufhübschen? Sind wir dir nicht hübsch genug? Und wofür überhaupt, warum könnt ihr uns nicht einfach alle in Ruhe lassen!«
»Aber so geht das nicht. Du kannst mich nicht einfach wegschicken, das würde der Editor nicht toll finden. Du bist ein Name, also ihr alle seid ein Name und deshalb müsst ihr grün werden. Verstehst du das? Ich suche auch ein besonders schönes Grün aus, versprochen.«
Der Pinsel wirbelte über die Palette und kam dem K gefährlich nah. »Lass das!« Es wich zurück, doch kam nicht weit, denn es war ja immer noch an das i gekettet.
Der Highlighter wandte sich dem i zu, das die ganze Prozedur stoisch über sich ergehen ließ.
»Und dann machen wir hier noch einen Tupfer und dort. Und schon sieht das Ganze großartig aus. Vorsicht hier, wir wollen es ja nicht zu dunkel werden lassen.«
Das K schüttelte sich. »Und das nennst du ein schönes Grün?«
»Also, jetzt hör mal. Was eine schöne Farbe ist, das bestimme immer noch ich. Ich bin der Highlighter.«
»Und ich bin sauer«, antwortete das K.
»Also, ich finde es ja ganz schön«, meinte das r und stellte sich neben das i. »Ich als nächster.«
»Natürlich.«
Und so erhielten r und auch a einen grünen Anstrich.
Das K seufzte resigniert und setzte sich auf den Boden. Während die Farbe auf den anderen Zeichen trocknete, ließ es sich vom Highlighter bemalen.
»Wer ist denn dieser Editor?«, fragte es.
»Der Editor«, begann der Highlighter, während er den Pinsel über das Grün der Palette schmierte, »ist die finale Station eurer Reise. Dort werdet ihr präsentiert.«
»Präsentiert? Wem denn?« Das K war nun halbgrün und der Highlighter begann die obere Diagonale zu bemalen.
Das K konzentrierte sich derweil auf die Reise, eine Reise die es eigentlich überhaupt nicht angehen wollte.
»Na, dem Nutzer«, sagte der Highlighter und tupfte noch etwas Grün auf die obere Kante.
Das K erinnerte sich, dass das Anführungszeichen einmal vom Nutzer gesprochen hatte.
»Der Nutzer hat uns erschaffen und dem Nutzer müssen wir dienen«, hatte es gesagt.
Ach, das Anführungszeichen, das K vermisste es so sehr.
»So und nun seid ihr alle grün, schön schön. Ich werde mich mal wieder auf die Reise machen, und vielleicht treffe ich noch einen anderen Namen, dann mach ich ihn genauso grün wie euch. Aber ich verspreche euch, ihr seid der schönste Name im Dokument.«
Eine silberne Scheibe kam von oben herab und der Highlighter stellte sich darauf. Er winkte, während er davon schwebte.
»Und jetzt?«, fragte das r und die anderen wussten auch nicht weiter. Also setzten sie sich hin und spielten eine Runde »Ich sehe was, was du nicht siehst«.
Und immer war alles grün.
***
Das Spiel wurde irgendwann langweilig. Das K hätte gern Fange gespielt, aber sie waren ja aneinander gekettet und das wäre keine faire Ausgangssituation.
Also schwiegen sie, bis wieder eine Kugel erschien. Diese hier war blau.
Sie packte das r und hob es an, und durch die Ketten wurden die anderen mit in die Luft gezogen.
Das war jetzt also die letzte Etappe der Reise, der Weg zum Editor.
»Bitte bewahren Sie Ruhe, während wir sie in den ValueConverter schicken«, sagte die Kugel und dann wurden sie auf ein neues Fließband geworfen.
»Schicken ist gut«, meinte das K und rieb sich den Hintern.
Nur wenige Momente später hörte es eine bekannte Stimme über sich. Das K schaute auf und sah, wie das Anführungszeichen und sein Bruder, das Ausführungszeichen, herabgelassen wurden. Ein Greifarm ließ die Zeichen los und verband sie mit dem ersten und letzten Zeichen der Kette.
Das K hatte sein Anführungszeichen wieder. Es konnte sein Glück nicht fassen.
»Jetzt mach mal halblang«, rief das Anführungszeichen und versuchte, sich aus der Umarmung zu lösen. »Wie siehst du überhaupt aus?«
Das K sprang zurück und erzählte von dem malenden Kauz.
»So etwas hatten wir nicht«, meinte das Anführungszeichen und sein Bruder stimmte zu.
»Aber wo wart ihr denn?«, fragte das K.
Die Stimme des Anführungszeichens brach, obwohl es nur sagte: »Im Nichts.«
Darauf herrschte in der Zeichengruppe für einen Moment Stille, während sie weiter zum Editor befördert wurden. Die Greifarme brachten noch einen weiteren Freund: das Leerzeichen am Zeilenanfang.
»Wo sind die anderen?«, fragte das K, doch das Leerzeichen schüttelte traurig den Kopf: »Er hat gesagt, ich muss jetzt alleine klarkommen. Die anderen sind nicht erwünscht.« Dann schluchzte es und begann zu weinen.
»Wer hat das gesagt?«, fragte das Anführungszeichen sichtlich empört.
»Er nannte sich Formatter. Keine Ahnung, wer ihn zum Chef benannt hat. Aber er hat gesagt, der Editor möchte das so, damit der Nutzer sich besser zurechtfindet.«
Alles für den Nutzer, dachte das K. So war das hier.
Ein gleißendes Licht am Ende des Laufbandes verschluckte jedes einzelne Zeichen.
Leerzeichen.
Anführungszeichen.
K.
Diesmal schrie es nicht, sondern wartete nur darauf, irgendwo zu landen. Die Geschwindigkeit wurde immer höher, dem K wurde schwarz vor Augen und dann verlor es das Bewusstsein.
Als es wieder zu sich kam, befand es sich in einem Dokument. Es schaute nach oben und schätzte, dass es vielleicht vier Zeilen unter dem Anfang war. Vier, das war viel höher als im alten Dokument. Wieviele Zeichen hat dieser Formatter noch entfernt?
Auch war alles so hell hier, im Hintergrund strahlte ein weißes Licht, der Buchstabe über ihm glänzte rot, sicher auch seit einer Begegnung mit dem Syntax Highlighter. Das war jetzt also der Editor.
Und nun?