(Diese Geschichte ist zuerst erschienen bei: http://www.schreibinspiration.com)
Das Mondlicht kämpft sich durch die dichten Baumkronen und beleuchtet den Weg für die beiden Einbrecher. In zwei oder drei Stunden würde die Sonne aufgehen. Der schwarze Rucksack auf Rainers Rücken ist deutlich ausgebeult. Es hat sich heute richtig gelohnt.
Er sieht nach hinten, um sicherzugehen, dass er Dagmar nicht verloren hat, und hört sie leise etwas murmeln. Dagmar regt sich immer viel zu schnell auf.
»Komm Schatz, wir sind gleich zuhause«, flüstert Rainer. Er kann bereits die leichten Wellen des Sees hören. Dieses Jahr hat er mit dem Haus wirklich Glück gehabt. Es liegt abgelegen vom Dorf, direkt am See, mit Anleger und ein Boot wird für die Mieter bereitgestellt. Er sieht sich bereits im Boot liegen und die Sonnenstrahlen einfangen, während Dagmar die Inventur macht.
Kurze Zeit später erreichen sie das Haus und sein Magen verkrampft.
»Warte mal«, flüstert Rainer Dagmar zu.
»Was ist los?«
Er hört die Panik in Dagmars Stimme.
»Ich seh mal nach, Du wartest hier.«
Er lässt den Rucksack fallen und als würden die Blätter vor seinen Füßen fliehen, schleicht sich Rainer geräuschlos an das Haus heran. Er weiß sein Gefühl hat ihn nicht getäuscht, als er einen kleinen Lichtkegel am Fenster in der Küche sieht. Der Kellereingang ist in der Küche, was wenn der Einbrecher die Beute der letzten Monate findet?
Ganz langsam öffnet er die Hintertür und läuft gebückt durch die Küche.
Die Kellertür ist immer noch zu, Gott sei Dank. Rainer durchquert den Flur. Der Lichtkegel bewegt sich nun im Wohnzimmer und nach drei Schritten kann Rainer auch die Taschenlampe und den Mann, der sie hält, erkennen. Wer ist das?
Weiter schleicht er in gebückter Position, langsam, bis Rainer direkt hinter dem Einbrecher steht. Blitzschnell steht Rainer gerade, überragt dem Fremden um fast einen Kopf, und noch bevor Rainer nachdenkt, knackt es im Hals des Fremden und nur Rainers starke Arme um seinen Hals halten ihn auf den Beinen.
Rainer schluckt, lässt den Körper fallen und rennt zur Eingangstür.
»Dagmar!«
Sie braucht nur einen Wimpernschlag.
»Was ist los?«
»Bei uns wurde eingebrochen.«
Sie sieht ihn ungläubig an.
»Aber keine Sorge, ich habe alles im Griff.«
»Im Griff? Was meinst Du mit im Griff?«
Sie wirft den Rucksack vor seine Füße, rennt an ihm vorbei in das Haus.
»Oh Gott!«, hört er sie schreien. Mit dem Rucksack in der Hand folgt er ihr. Was hat sie nur? Der Mann ist doch keine Gefahr mehr.
Sie sitzt auf der braunen Couch und starrt auf den Toten auf dem Boden.
»Was hast Du nur getan?«
Sie schüttelt den Kopf, ganz langsam. Dann bleibt ihr Blick über die Kreuzfahrtprospekte auf dem Couchtisch stehen. Sie schnieft.
»Dagmar beruhige Dich. Wir stehen das durch.«
»Durchstehen? Was gibt es denn hier durchzustehen? Du hast einen Menschen getötet, einfach so. Das ist doch kein Spiel!«
Sie steht auf, nähert sich ihm, weiter, immer weiter.
»Was sollen wir jetzt tun?«
Sie sieht ihm in die Augen und hält eine Hand an seine Brust. Sie will wissen, ob er aufgeregt ist, das macht sie immer so und wie immer ist er ruhig.
Er weiß, dass sie gleich eine Panikattacke bekommt, es ist alles genauso wie in Österreich vor drei Jahren. Als sie fast geschnappt wurden. Nur durch Zufall hat sich ergeben, dass sie nicht die einzigen Einbrecher in der Gegend …
»Das ist es!«
Sie sieht ihn verwundert an.
Zwanzig Minuten später wimmelt es von Polizisten. Einer der Uniformierten steht mit Dagmar und Rainer auf der Veranda. Er hält einen kleinen Notizblock in der Hand.
»Also ich wiederhole nochmal: Sie beide waren spazieren, und als Sie wieder zurückkamen, haben Sie den Einbrecher in ihrem Haus erwischt.«
Rainer nickte.
»Und der Rucksack voll Diebesgut gehört dem Einbrecher?« Nicken.
Ein weiterer Polizist gesellt sich zu ihnen.
»Ich hab nur eine Frage: Warum sollte ein Kommissar bei Ihnen einbrechen?«