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Hannes Niederhausen

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Die Promenade

Als sie die Fensterfront entlang liefen, sahen sie die vom Regen verwaschenen Spiegelungen ihrer Köpfe. Er hob den Arm und wischte mit der Hand darüber, doch die Scheibe wurde nicht klarer und das Wasser rann langsam die Bahnen der vorangegangenen Tropfen herunter.

Sie nahm die Sonnenbrille ab und schaute nach hinten. Die Straßen waren leer und sie erinnerte sich, dass ihr Lehrer einmal davon sprach, dass unzählige Autos sie früher verstopft hätten.

Er wischte erneut und schüttelte den Kopf. »Unglaublich. Sieht aus wie echt«, murmelte er und lächelte sie an. Sie küsste ihn und zeigte auf einen Baum in der Mitte der Straße. »Komm!« Sie zog ihn hinter sich her und er folgte ihr brav.

Sie legte die Hand an die Rinde des Baums. »Autos auf dieser Straße«, sagte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. Er interessierte sich mehr für den bröckelnden Asphalt, nahm ein Stück in die Hand und drehte es vor sich hin und her.

»Hält sich wirklich gut, das Zeug«, sagte er und sie nickte. »Es ging halt nur kaputt, weil es dem Druck der Fahrzeuge auf Dauer nicht standhalten konnte.«

Er erhob sich und streckte sich, so dass sein Rücken knackte.

»Vorsicht«, sagte sie, doch er lachte nur.

»Nicht so schlimm. Ich bin halt nicht mehr der Neuste.«

Sie folgten der Straße, vorbei an anderen Schaufenstern, die nicht darauf ausgelegt waren, anderes Wetter zu simulieren. Ihr Blick erhaschte ein Mannequin im rosa Sommerkleid. Es trug einen hellbraunen Hut mit breiter Krempe und eine Sonnenbrille, wie sie sie woanders aufgelesen hatte. Der Hut jedoch gefiel ihr sehr. Sie deutete auf ihn.

»Wirklich?«, fragte er und sie nickte. Er zuckte mit den Schultern und betrat den Laden, während sie geduldig auf ihn wartete. Sie konnte ihn durch die Scheibe nicht ausmachen, doch als er zurückkam, hielt er exakt das gleiche Modell in der Hand, wie es die Schaufensterpuppe trug. Sie umarmte ihn, küsste ihn erneut und setzte den Hut auf.

»Was sagst du?«, fragte sie, nachdem sie die gleiche Pose wie die Puppe in ihrem Rücken eingenommen hatte. Er nickte zufrieden, reichte ihr die Hand und zog sie weiter.

Sie ließen viele verschiedene Schaufenster hinter sich, während die Sonne langsam unterging und die Zeit kam, sich von der Allee zu verabschieden.

»Achtung, bitte verlassen Sie den Park«, dröhnte eine Stimme irgendwoher.

»Bitte verlassen Sie den Park augenblicklich«, betonte diese.

»Schade«, sagte sie und schaute in den Himmel. Die Sonne stand bereits tief und die Sonnenbrille war unnötig geworden.

»Gehen wir, aber ganz langsam«, sagte er und sie nickte energisch, so dass die Krempe ihres Hutes schwappte, als wäre sie eine brechende Welle.

Sie schlenderten über die Straße, bis sie den Parkausgang erreichten. Ein riesiges Holztor deutete ihnen an, dass sie jetzt endgültig die letzten Überbleibsel des Planeten Erde verlassen würden.

»Nächste Woche schauen wir uns aber ein Dorf an«, sagte sie und sah noch einmal auf die Strandpromenade zurück.

Er nickte. »Nun aber zurück in die Heimat«, sagte er und lächelte. Sie antwortete ihm mit einem letzten Kuss unter dem Torbogen.

Ein Wachmann stellte sich ihnen in den Weg und deutete auf ihren Hut und die Brille. »Die Sachen müssen Sie hier lassen«, sagte er und schweren Herzens überreichte sie ihm die Gegenstände. Der Wachmann sah ihn argwöhnisch an, bis er den Asphaltbrocken ebenfalls zurückgab.

»Danke, haben Sie einen wohligen Abend und beehren Sie uns bald wieder«, sagte der Wachmann gelangweilt.

Sie schritten durch das Tor und schlagartig wurde der Boden zu einer metallenen Fläche, der Gang schmaler, als gingen sie einen Trichter entlang. Sie schaute zurück und beobachtete, wie sich das Tor schloss.

»Sieh mal«, sagte er und öffnete seine Hand. Die metallenen Gelenke quietschten etwas, als sie den kleinen silbernen Ring auf seiner Handfläche offenbarten. Er nahm ihre Hand und schob ihn über ihren metallenen Ringfinger.

»Passt, wie für dich gemacht«, sagte Einheit RB235.

»Ich glaube, die Erbauer hatten es nicht im Sinn, uns mit so etwas auszurüsten.«

»Dann ist es vielleicht gut, dass sie nicht mehr sind.«

Hand in Hand schlenderten sie den Gang entlang.

»Zur Sternenpromenade?«, fragte er und sie zögerte. Wie spät war es? Würden sie jetzt die trostlose Welt unter ihnen sehen, oder das All mit den unzähligen Sternen, jeder einzelne eine Hoffnung auf ein neues, besseres Leben.

»Die Erde ist auf der anderen Seite«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

»Also gut, dann auf zur Zukunft.«

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