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Hannes Niederhausen

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Der Angsthase

Die Utensilien lagen wild durcheinander. Was war hier nur passiert? Aus Angst er könne auf ein magisches Artefakt treten, setzte Joran nur vorsichtig kleine Schritte in die Schmiede, um ihren Besitzer zu suchen. Wo war Horul?

Vorsichtig legte er den Handrücken auf den Amboss in der Mitte des Raumes – kalt, darauf hatte schon seit Stunden kein glühendes Eisen mehr gelegen, dabei arbeitete Horul sonst vom Morgengrauen bis zum Abendrot. Der schwere Hammer lag auf dem Boden vor dem Blasebalg, der zu seiner linken neben einem schwachen Feuer ruhte. Ausgerechnet heute.

Joran griff in seine Tasche und holte den Dolch heraus, den Horul reparieren sollte. Die Kerbe in der Klinge war Graf Mortens schon seit Wochen ein Ärgernis gewesen, doch Joran hatte es bisher einfach nicht zum Schmied geschafft. Morgen sollte er den Zierdolch zurückgeben. Morgen!

»Horul?«, rief Joran mit schwacher Stimme. Die Angst vor dem Grafen schwang in ihr und er ärgerte sich darüber. Joran der Angsthase hatte sein Vater ihn immer genannt.

Sein Vater. Er hatte schon lange nicht mehr an ihn gedacht. Er war so froh gewesen, als er die Anstellung im Palast des Grafen bekommen hatte, um der Enttäuschung seines Vaters zu entkommen. Im Herzen war er immer Soldat geblieben und Jorans Mangel an Mut war für ihn stets ein Dorn in seinem Herzen gewesen.

»Horul, wo seid Ihr?«, rief er nun stärker.

Die Antwort war ein leises Flüstern. Joran schaute sich um, versuchte den Ursprung zufinden.

»Horul, seid Ihr das?«, fragte er und bemerkte, dass er nun selbst flüsterte. Die Antwort war diesmal ein Wimmern, das ihn allzu sehr an seine Kindheit erinnerte, als er allein in seiner Kammer gelegen hatte und aus dem Schrank vor seinem Bett das gleiche Geräusch gekommen war.

Er erstarrte, wie damals, und wünschte sich, er hätte eine Decke, um sie sich über den Kopf ziehen zu können.

Vater hatte ihn damals ausgelacht, jede Nacht für eine ganze Woche. Erst dann war das Wimmern verschwunden.

»Bis heute«, flüsterte er zu sich selbst.

Er schaute zurück zur Tür, durch die er entkommen könnte, dann wieder herunter auf den Dolch, den er bis zum morgigen Abend instand setzen lassen musste. Und möglicherweise war es ja Horul, der seine Hilfe benötigte.

Bei den Göttern, es war sicher Horul!

Er streckte den Rücken, hob das Haupt und ging am Amboss vorbei auf die Hintertür zu.

Doch als er den roten Lichtschimmer unter der Tür sah, verließ ihn der Mut so schnell, wie er gekommen war. Es schien, als würde dahinter der wahre Schmiedeofen liegen.

»Oder etwas ganz anderes«, murmelte er und presste die Finger um den Griff des Dolches, so fest, dass die Knöchel weiß wurden.

Der Dolch, der Graf, das Licht.

Er war hin- und hergerissen, doch seine Füße schritten weiter voran, die freie Hand bewegte sich zur Tür und stieß sie auf und offenbarte ein klaffendes Loch im Boden. Das Licht war schwächer, als er geglaubt hatte, ein Schimmer, der den Raum in ein Abendrot tauchte.

»Da bist du ja endlich«, hörte er aus dem Loch flüstern.

»Horul, seid Ihr das?«

»Komm näher.«

Seine Augen tränten, sein Herz raste und beinahe wäre der Dolch aus seiner feuchten Hand gerutscht. Er drehte ihn so, dass die Klinge voraus zeigte. »Ich bin bewaffnet«, sagte er mit all seinem Mut, doch seine Stimme war schwach.

»Komm her«, sagte das Flüstern und er tat es, Schritt für Schritt. Erst als er einen Blick in den Abgrund werfen konnte, blieb er stehen. Den Dolch hielt er nun mit beiden Händen fest, bereit ihn nach vorn zu stoßen, doch in dem Loch strahlte nur das Licht.

»Wo ist Horul?«, rief er in das Loch hinein, überrascht über die Kraft in seiner Stimme. »Bei den Göttern, was habt Ihr mit ihm gemacht?«

Das Licht pulsierte nun, im Takt seines Herzschlages. Dann schnellte etwas hervor, packte Joran an den Armen und zog ihn kopfüber in das Loch hinein.

Er schrie, zappelte im Fall, um sich loszureißen, doch die grauen Krallen hatten sich tief in sein Hemd gebohrt. Angewidert schaute er in das Gesicht seines Angreifers. Wulstige Narben liefen kreuz und quer über Wangen und Stirn, schwarze, eingesunkene Augen, die wie Augenknöpfe einer Puppe wirkten.

Der Angreifer grinste und offenbarte spitz gefeilte Zähne aus wulstigem, entzündetem Zahnfleisch.

»Du hättest mich befreien können«, zischte das Wesen, zog ihn im Fall zu sich heran. »Warum hattest du nicht den Mut gehabt?«

Der faulige Geruch seines Atems drehte Joran den Magen um. Er wollte sich losreißen, doch fiel einfach starr, ließ sich weiter von dem Wesen schütteln.

Mut.

Warum war er nicht mutig? Das hatte sein Vater ihn auch immer gefragt.

Plötzlich stoppte der Fall, das Monster stieß sich leicht von ihm ab, beugte die Beine und trat ihm gegen die Brust. Die Wucht schleuderte ihn nach hinten, bis sein Rücken gegen etwas Hartes krachte.

Er lag in einer Holzbox oder … nein, er befand sich in einem Schrank!

»Was?«, rief er, erhob sich, doch das Monster war schon bei ihm, stieß ihn gegen die Rückwand und zischte: »Sieh selbst!«

Den Dolch in seiner rechten Hand hatte Joran beinahe vergessen. Sein Arm schnellte hoch, zielte auf das eklige Gesicht und schnitt tief in die Wange. Doch im selben Moment spürte er in seinem eigenen Gesicht einen noch nie dagewesenen Schmerz. Er schrie auf, ließ den Dolch fallen und hielt sich die Wange, aus der Blut quoll.

»Was du mir tatest, soll dir geschehen«, sagte das Monster und knallte die Schranktüren zu, das Schloss klickte zwei Mal laut und Joran war gefangen.

Er schrie, warf sich gegen die massiven Holztüren, doch die bewegten sich nicht. So lange er Kraft in seinen dünnen Armen hatte, schlug er gegen die Türen und vergaß dabei die schmerzenden Wangen. Erst als er erschöpft auf den Boden rutschte und nur noch schluchzte, kehrte der pochende Schmerz zurück.

»Bitte lass mich raus«, weinte er und begann an der Tür zu kratzen. »Lass mich hier nicht zurück. Bitte hilf mir.«

Doch niemand öffnete den Schrank. Er war allein, er war hungrig und alles, was er hatte, war der Dolch, der neben ihm auf dem Holzboden lag.

Irgendwann versiegten die Tränen und sein Flehen verwandelte sich zu einem Flüstern, aber ebbte nie ganz ab.

Wie viel Zeit verstrich, wagte er nicht zu schätzen. Er hatte Durst, er hatte Hunger, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu sich genommen.

Er schniefte. Endlich hatte er die Kraft verloren zu weinen.

In der Stille hörte er eine Kinderstimme: »Gute Nacht, Pa.«

Er zuckte zusammen. »Hallo?«, krächzte er, so laut er konnte. »Ist da wer? Bitte, öffne den Schrank, hilf mir!«

Doch die Antwort war ein Schrei, der durch Mark und Bein ging. Der gleiche Schrei, den er vor vielen Jahren von sich gegeben hatte.

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